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Forschungsdaten in einer digitalen Gesellschaft: Praktische, ethische und rechtliche Herausforderungen

Die Produktion von Forschungsdaten wird oft aus öffentlichen Mitteln finanziert; dadurch werden sie zu einer Art Gemeinschaftsgut. Wenn Daten von weiteren Forschenden genutzt oder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, müssen sie anonymisiert werden. Infolgedessen sind sie nur noch eingeschränkt nutzbar. Ausserdem ist mit den stetig wachsenden Möglichkeiten im Bereich «Big Data» zum Zeitpunkt der Datenproduktion wenig vorhersehbar, wofür die Daten später genutzt werden. Dies wirft ethische wie rechtliche Fragen auf.

Es fragt sich also, wie die Forschung mit diesem Spannungsfeld umgehen soll. Was für konkrete Herausforderungen ergeben sich dadurch für quantitative Forschungen, welche für qualitative? Hemmt der Datenschutz nicht die Weiterentwicklung innovativer Forschungsansätze? Ist es überhaupt sinnvoll, immer mehr Daten zu sammeln, wenn es ohne Planung zur weiteren Verwendung geschieht? Welche forschungsethischen Probleme entstehen durch die Rekombination unabhängig voneinander erhobener Datensätze?

Das Zentrum Bildung und Digitaler Wandel der PH Zürich lud im November zu einem DIZH-Vernetzungsanlass zum Thema Forschungsdaten ein. In einem Podiumsgespräch wurden diese Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet.

Im Video erläutern Michael Geiss, Leiter Zentrum Bildung und Digitaler Wandel (PHZH), Florent Thouvenin, Ordinarius Informations- und Kommunikationsrecht (UZH), Gisela Unterweger, Co-Leiterin Zentrum Kindheiten in Schule und Gesellschaft (PHZH), Michèle Ernst Stähli, Leiterin Internationale Umfragen (FORS) und Kenneth Horvath, Abteilungsleiter Bildungswissenschaftliche Forschung (PHZH) ihre Positionen.

Gisela Unterweger
PHZH

«Die Logiken von Datenschutz, Open Data und ethnographisch-qualitativer Datenproduktion befinden sich in einem schwierigen Spannungsverhältnis.»

Die Besonderheit des ethnografischen Arbeitens ist, dass es heterogene, multimodale und kaum standardisierte Daten produziert, die kontextgebunden und in konkrete Feldbeziehungen eingebettet sind. Gisela Unterwegers Expertise liegt in diesem Bereich der ethnographischen und qualitativen Vorgehensweisen. Als Co-Leiterin des Forschungszentrums Kindheiten in Schule und Gesellschaft an der Pädagogischen Hochschule Zürich forscht sie kulturanalytisch und sozialwissenschaftlich zu Kindheiten, insbesondere in der schulischen Bildung.

Michèle Ernst Stähli
FORS

«Die Politik bei FORS ist klar: Alle Daten, die wir erzeugen, müssen für Forschende frei zugänglich gemacht werden.»

Zu Michèle Ernst Stählis Themengebieten gehören die Methodologie der Sozialwissenschaft. Sie forscht zu Umfragemethoden mit Themen wie Incentives, Nonresponse Bias und Mixed Modes. Ihre Forschungstätigkeiten zielen darauf ab, Prozesse von Datenerhebungen zu optimieren, darunter auch die Datenverarbeitung und Dokumentation. Sie ist Schweizer Koordinatorin für den ESS (European Social Survey), leitet das ISSP (International Social Survey Programme), das EVS (European Values Study) und bei FORS den Bereich «Internationale Umfragen».

Florent Thouvenin
UZH, Rechtswissenschaft, Informations- und Kommunikationsrecht

«Daten sollten für Forschung frei nutzbar sein – das Datenschutzrecht schafft Hürden, die niemandem nützen. Neue Ansätze sind erforderlich: Rethink Privacy!»

Florent Thouvenin befasst sich in seiner Forschung mit Rechtsfragen rund um die Digitalisierung, mit einem Schwerpunkt auf dem Urheber- und Datenschutzrecht. Ein besonderer Fokus liegt auf der Regulierung von Artificial Intelligence (AI) und auf der Nutzung von Daten in der Forschung. Er ist Ordinarius für Informations- und Kommunikationsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Zudem ist er Vorsitzender des Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) und Direktor der Digital Society Initiative (DSI) der Universität Zürich.