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Das Ende der Hausaufgaben? Aufgaben- und Prüfungskultur in Zeiten der Künstlichen Intelligenz

Generative Künstliche Intelligenz (KI) fordert die schulische Bildung heraus. Mit nur wenig Aufwand lassen sich nicht nur Texte zu unterschiedlichen Themen zusammenfassen und verfassen, sondern auch Aufgaben aller Art lösen. Wie müssen Schulen in Zeiten von ChatGPT & Co. Aufgaben stellen und Prüfungen durchführen? Verschiedene Umgangsweisen lassen sich ausmachen: ein (teilweises) Verbot bei gleichzeitiger Kontrolle, eine auf Transparenz und Offenheit setzende Akzeptanz sowie eine Transformation der bestehenden Aufgaben- und Prüfungsformate. Tobias Röhl, Dozent für Digitales Lernen und Lehren, über den Einsatz von KI bei Prüfungen und Hausaufgaben. [1]

Erste Umfragen bestätigen, dass ein Grossteil der Schüler:innen ChatGPT schon mindestens einmal benutzt hat. [2] Angesichts dieser Verbreitung müssen Schulen überlegen, wie sie mit dem Einsatz von KI im Bildungsbereich umgehen wollen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten wie Schulen auf die Möglichkeiten, die ChatGPT und andere KI-Tools bieten, reagieren können. Sie lassen sich kurz und bündig mit Kontrolle, Transparenz und Transformation auf je ein Schlagwort zusammenfassen.

Zwischen Kontrolle, Transparenz und Transformation

  1. Kontrolle: Eine Herangehensweise zur Regulierung von generativer KI besteht darin, deren Verwendung bei Prüfungen und Aufgaben zu untersagen. Dies erfordert Überwachungsmechanismen, um die Einhaltung zu gewährleisten. Tools zur automatisierten Erkennung von KI-Texten existieren, jedoch sind sie fehleranfällig und bieten lediglich eine auf Wahrscheinlichkeiten basierende Einschätzung. Die Erfahrung und Intuition von Lehrern können hierbei hilfreicher sein, um KI-Texte zu identifizieren. Die traditionelle Klausur mit Stift und Papier bleibt daneben eine Option, um den Einsatz digitaler Medien gänzlich zu verhindern.
  2. Transparenz: Anstelle eines Verbots können Schulen akzeptieren, dass die vollständige Vermeidung von KI unrealistisch ist und den Schülern erlauben, ChatGPT und ähnliche Generatoren zu nutzen. Dabei sollten die Schüler:innen offenlegen, wo und wie sie KI eingesetzt haben,  durch Angabe von ChatGPT als Quelle in Facharbeiten zum Beispiel. Die Dokumentation der genutzten Anfragen und Ausgaben kann Lehrern helfen, den Arbeitsprozess der Schüler:innen nachzuvollziehen.
  3. Transformation: Der transparente Umgang mit KI deutet auf eine Veränderung der Prüfungs- und Aufgabenkultur hin. Schüler zeigen nicht nur ihre Ergebnisse, sondern auch ihren Lernprozess, indem sie angeben, ob und wie sie KI genutzt haben. Dies führt zu einem Lernverständnis, das den Weg zum Ergebnis ebenso wertschätzt wie das Ergebnis selbst. Portfolios könnten diese Entwicklung unterstützen, unabhängig davon, ob KI genutzt wurde oder nicht. Mündliche Präsentationen und Prüfungen könnten ebenfalls wiederbelebt werden, um zu überprüfen, ob die Schüler:innen ein Thema wirklich verstanden haben. Daneben können neue Aufgabenformate gefunden werden, mit denen die Möglichkeiten generativer KI ausgeschöpft werden – etwa Dialoge mit Bots im Sprachunterricht oder das Erstellen eines klassischen Theaterstücks zu beliebigen Themen.

Dabei handelt es sich nicht um sich wechselseitig ausschliessende Umgangsweisen. Stattdessen muss jede Schule für sich eine Antwort darauf finden, wo und wie sie den Einsatz von generativer KI erlaubt und wo sie ihn verbieten will. So kann eine Antwort lauten, dass man den Einsatz in bestimmten Zielstufen gänzlich verbietet (etwa im Zyklus 1) und ihn in anderen Kontexten erlaubt (beim Verfassen eines Referats), so lange die Tools als Quelle nach vorher bestimmten Regeln angegeben werden.

In jedem Fall ist es ratsam, wenn sich Schulen über ihre Haltung zum Umgang mit den Möglichkeiten der KI verständigen. Mit einem gemeinsam entwickelten Konzeptpapier erhalten Lehrpersonen Orientierung und Handlungssicherheit, die sie derzeit oft vermissen. Dies kann beispielsweise im Rahmen eines Schulentwicklungsprojekts verfolgen, da verschiedene Ebenen von Schule betroffen sind (etwa auch die Personalentwicklung). Eines ist jedenfalls sicher: KI ist in der Breite angekommen und Schulen müssen in irgendeiner Form darauf reagieren.

INFOBOX

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Quellennachweise

[1] Dieser Beitrag handelt sich um eine gekürzte und überarbeitete Fassung folgenden Artikels: Röhl, Tobias. 2024. «Schreiben lassen statt Abschreiben? Herausforderungen der schulischen Prüfungs- und Aufgabenkultur in Zeiten generativer KI». #schuleverantworten 4 (1): 44–50.

[2] Chat-GPT in Schulen nutzen
Wes Cockx
Google DeepMind
Better Images of AI

Zum Autor

 

Tobias Röhl ist Dozent für Digitales Lernen und Lehren am Zentrum Medienbildung und Informatik der PH Zürich. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der digitale Wandel im Bildungsbereich, insbesondere der Einsatz digitaler Medien im Unterricht sowie die Vernetzung und Datafizierung von Schulen.

Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock

Dieser Beitrag erschien am 21. Mai 2024 auf dem Blog der PHZH